Wie es ist, festgenommen zu werden, oder: Zwei Geschichten einer beschissenen Nacht

Teil 1

“Halt Stopp, stehen bleiben, Polizei!” Ich erstarre, brauch zwei Sekunden, bis ich reagiere. Fluchtversuch, vergeblich…

Ich werde in eine Hecke geschmissen, Handschellen werden mir angelegt. Der Bulle schwafelt irgendwas und betont dann das Wort: „ANARCHISTEN“

Was ist passiert? Ich war mit meiner engsten Gefährtin durch die menschenleere Straßen spaziert, nachts, es herrschen Ausgangssperren. Irgendwie wurden wir mit Graffiti in Verbindung gebracht. Zufälligerweise hatte ich drei Dosen in meinem Rucksack. Das reicht den Bullen, um mich wegen dringlichen Tatverdachts festzunehmen.

Meine Gefährtin konnte vorerst entkommen. Nachdem ich von den Bullen um Auto gezerrt worden bin und „eingepackt“ wurde, setzte sich das Auto nicht sofort in Bewegung. Stattdessen beginnen sie hastig eine Funkfahnung nach meiner Companera. Ich mach mir Sorgen, dass die Bullen meine Gefährtin doch noch fassen und wünsche mi nichts mehr, als dass sie entkommt. Ich merke, dass mindestens drei bis vier Bullenkarren meiner Genossin folgen. Ham die nix Besseres zu tun? In einer besseren Welt müssten wir uns nicht mit Bullen herumschlagen, ach, wie wär das schön. Schlussendlich schaffen es die Cops, meine Gefährtin zu fangen. Als sich ein zweites Bullenauto nähert, schau ich besorgt aus dem Fenster und erkenne auf der Rückbank meine Companera. Ich fühle mich noch mehr gelähmt als vorher.

Taxi ins nächste Polizeiinspektion. Auf dem Weg noch ein Anhalter, ein weiteres Graffti mit politischer Aussage. Der Bulle steigt aus und macht ein Foto. Mir ist klar, dass uns jetzt warscheinlich jedes politische Graffti der letzten Zeit vorgeworfen wird. Im Auto entschuldigt sich der Bulle ironisch für die brachiale Festnahme. Ich hätte ja entkommen können. Schön wärs, dann müsste ich jetzt auch nicht diesen Text schreiben.

Wir werden in zwei unterschiedliche Räume bebracht. Der Bulle fragt mich nach meinem Namen. Vorerst nenne ich ihn nicht. Auch verweigere ich alles andere. Ich muss an meinen kommenden Prozess denken, der bald ist, nicht wegen dem, sondern wegen was anderem. Ich habe Angst, muss ich jetzt bald wirklich ins Gefängnis? Irgendwann beschließe ich, meinen Namen zu nennen, ich will weg, nicht permanent an eine drohende Haftstrafe denken. Im nachhinein fühle ich mich schlecht, habe ja grad den Bullen die Arbeit erleichtert.

Ich werde vernommen, mir werden Bilder von Graffits gezeigt, ich werde gefragt, ob ich was damit zu tun habe. Ich verweigere die Aussage und die Unterschrift. Stille, ich beobachte den Bullen beim schreiben am Laptop. Irgendwann Schichtwechsel, ein Rambo Bulle betrtt den Raum, ich kenn ihn schon von früher.

Die Bullen versuchen mich dazu bringen, den Namem meiner Gefährtin zu nennen. „Niemals!“, antworte ich. Meine Gefährtin wurde inzwischen wo anders hingebracht. Ich solle meine Companera anrufen, meine Genossin dazu bringen, den Namen zu nennen. Auch das lehne ich ab, in welcher Welt leben Bullen, dass sie glauben, dass ich sowas machen würde?

Irgendwann werde ich entlassen. Ich weiß nicht, wo meine Gefährtin ist. Ich will meine Companera nicht alleine lassen, doch wo ist sie? Ich bin überfordert, suche Unterschlupf und beginne zu weinen…. Repression wird mich niemals brechen, aber es macht doch was mit mir. Irgendwann schlafe ich ein.

Als ich wieder aufwache, muss ich zu allererst an meine Gefährtin denken, die wahrscheinlich immer noch nicht freigelassen wurde. Was tun? Ich bin immer noch überfordert, versuche klar zu denken, aber das ist irgendwie grad echt nicht möglich. Ich versuche mich zu beruhigen, brauche fast zwei Stunden dafür. Irgendwann hole ich mit Rat von einem Gefährten, der sich dann bereit erklärt, sich mit mit auf die Suche nach der gefangenen Companera zu machen. Als wir los wollen, bekomme ich eine Nachricht, ich werde dringend gebraucht. In der Hoffnung, dass meine Gefährtin wieder freigelassen wurde, mach ich mich auf den Weg zum Treffpunkt.

Als ich ankomme, merke ich, dass meine Genossin nicht da ist, dafür aber mehrere andere Genoss:innen, die sich gerade fragen, wo sich die gefangene Gefährtin gerade befindet. Es entsteht eine super Dynamik, wir fahren zum PAZ und fragen nach. Doch es kam die Antwort, ohne den Namen meiner Gefährtin keine Auskunft, wie lange sie noch gefangen gehalten wird. Ich will den Namen nicht nennen, weil ich nicht weiß, ob die Cops den schon wissen oder nicht.

Wenige Zeit später kommt die Info, dass bei meiner Gefährtin gerade eine Hausdurchsuchung stattfindet, in den ersten Minuten ohne Anwesenheit eines anderen Menschen. Jetzt ist klar: Die Cops wissen jetzt auch den Namen meiner Gefährtin. Genossinnen machen sich auf den Weg, um die Mitbewohnerin meiner Gefährtin zu unterstützen. Gleichzeitig trudeln immer mehr Genoss:innen ein, um solidarisch vor dem PAZ zu warten.

Kurz nach acht Uhr abends wurde meine Gefährtin entlassen. Super Uhrzeit für die Bullen, genug Zeit um alle solidarisch vor dem PAZ wartenden Genoss:innen und mir noch eine Anzeige wegen Missachtung der nächtlichen Ausgangssperrren aufzubrummen.

 

Teil 2

Zwei Stamperl Schnaps sind eine Waffe. Jahre bevor sie unsere Nachbarin wurde, war mir Frau S in ihrer Funktion als Buskontrolleurin negativ aufgefallen. Seitdem wir im selben Haus wohnen, grüße ich sie und ihre zwei winzigen Hunde allerdings freundlich, wenn wir einander im Stiegenhaus begegnen. Am Abend des 11. 11. 2020 bemerkte Frau S in ebenjenem Stiegenhaus eine Gruppe von etwa zehn Männern, die im Begriff waren, in unsere Wohnung einzudringen. Zerrissene Jeans sollen sie getragen haben und Westen mit der Aufschrift „Polizei“. Sie würden nur einen Brief zustellen, und zudem sei Faschingsbeginn, bruhaha, meinten sie zu Frau S. Ihre Schwiegermutter, offensichtlich professionell schaulustig, rief die Bullen: da seien verdächtige Männer in der Wohnung der Nachbarinnen. Die Versicherung der Cops, dass das alles seine Richtigkeit habe, konnte Frau S nicht so ganz überzeugen. Die Bullen verschafften sich mit meinem Schlüssel, den sie mir abgenommen hatten, Zutritt zu unserer Wohnung und begannen mit der Hausdurchsuchung. Offiziell ca. 20 Minuten, bevor meine Mitbewohnerin von der Arbeit nach Hause kam. Sie durchwühlten, beschlagnahmten und fotografierten. Meine Mitbewohnerin und zwei zu Hilfe gekommene Genossinnen fotografieren und dokumentierten zurück. Im Lauf des Überfalls standen zwei Stamperl Schnaps vor der Tür – von Frau S, für meine Mitbewohnerin, für die Nerven. Währenddessen saß ich völlig übernachtig in einer Zelle im Polizeianhaltezentrum Salzburg und überlegte, ob es sich lohnte, die Tür anzustarren, in der Hoffnung sie würde sich gleich öffnen und ich in die „Freiheit“ entlassen werden, oder ob ich wirklich in die Justizvollzugsanstalt überstellt werden würde zwecks U-Haft, wobei das Anstarren der Tür eine an Selbstschädigung grenzende Sinnlosigkeit wäre. Die Nacht davor hatte ich nichts geschlafen. Gegen zwei Uhr früh waren der beste Companero und ich während eines nächtlichen Spaziergangs einer übereifrigen Bullenstreife aufgefallen und geschnappt worden. Außer uns war die Gegend menschenleer gewesen, es gab gerade eine nächtliche Ausgangsbeschränkung wegen COVID-19. Ausnahme: psychische und physische Erholung, Füße vertreten. Später las ich im Bullenbericht, dass die Streife den Eindruck hatte, ein politisches Graffito, in dessen Nähe wir spazierengingen, müsste noch ganz frisch sein, immerhin hatten sie den Stadtteil in dieser Nacht bereits „mehrfach bestreift“. Die Bullen stellen ihr Auto ab und schleichen uns in der Dunkelheit nach. Als wir sie bemerken, rennen wir zur psychischen und physischen Erholung davon. Mein Companero hat Pech und wird eingefangen, in eine Hecke geschmissen und mit Handschellen gefesselt. Ich entkomme und renne. Und renne. Finde mein Fahrrad und trete in die Pedale. Auf einer größeren Kreuzung dann nur ich und zwei Streifenwagen. Blaulicht, Weg abgeschnitten, gebremst, auch Pech gehabt. Einen Moment lang bin ich seltsam erleichtert – es hätte sich mies angefühlt davonzukommen, während mein Kumpel von den Bullen entführt wurde, obwohl er sich gewünscht hätte, ich hätte es geschafft. Eine Crew Straßenarbeiter(_innen?) repariert eine Kreuzung weiter irgendwas unter blinkenden Lichtern und befreit mich nicht. Ich verweigere, was es zu verweigern gibt: Weder nenne ich meinen Namen, noch wirke ich an meiner Durchsuchung mit, noch willige ich ein, auf die Wachstube mitzufahren. Nichts könnt ihr haben, garnichts. Bei der Durchsuchung an Ort und Stelle finden sie nichts bis auf einen Schlüsselbund und eine Packung Zigaretten, ich bin sauber. Mein Kumpel und ich werden getrennt auf die nächste Wachstube gefahren. Bei einem kurzen Zwischenstopp werfen wir uns von Auto zu Auto besorgte Blicke zu. Auf der Wachstube beginnt das Warten. In getrennten Räumen festgehalten weigern wir uns weiter: auf keinen Fall würden wir eine Aussage machen oder gar den Namen des/der Mitgefangenen nennen. Ich bin froh mich hinter dem Mund-Nasen-Schutz in diesem Büro des Grauens zumindest ein bisschen unsichtbar machen zu können. Die Cops versuchen natürlich, mich zu fotografieren. Ich drehe mich weg, weigere mich. Irgendwann schaffen sie es wohl, mir die Maske wegzureißen und ein Foto zu machen, das sie dann zur Fahndung an alle Wachstuben in Österreich mailen. Warten, warten, warten auf der Strafbank unterm Neonlicht. Irgendwann muss ich aufs Klo. Eine Bullin geht mit, die Tür bleibt einen Spalt offen. Im Lauf der Nacht entscheidet sich mein Freund, seinen Namen zu nennen. Mich packen die Cops in ein Auto und fahren mich zur Kripo. Vor dem Kripogebäude denke ich an Flucht, aber wohin? Auf die menschenleere Alpenstraße? In die Salzach? In einem oberen Stockwerk brennt Licht, dort wartet ein Clown in Zivil darauf, meine Fingerabdrücke und DNA zu stehlen um meine Identität festzustellen. Am Weg nach oben erspähe ich ein Klo, schlüpfe hinein, Türe zu, Schloss umgedreht, endlich in Ruhe pissen. Meine zwei Begleiter müssen warten und drohen mir danach etwas hilflos Gewalt an, sollte ich nicht an der geplanten „search only“ Identitätsfeststellung mitwirken. Selbstverständlich weigere ich mich. Der Typ in Zivil belehrt die beiden, dass somit keine rechtliche Grundlage für die ID-Behandlung vorliege. Er nimmt eine Tasche entgegen, in der sich eine Spraydose und eine Trinkflasche befinden sollen. „I moa du bist vom schwoazzn Block,“ schließt er scharfsinnig. Leise triumphierend über die erfolgreiche Weigerung werde ich wieder ins Auto verfrachtet und ins PAZ gefahren. Auf dem Weg dorthin drohen mir die Cops, dass ich da jetzt tagelang nicht mehr rauskommen würde. Durch die Glastür im wohlbekannten Gefangenenwarteraum des PAZ beobachte ich, wie den beiden nach und nach die Gesichtszüge entgleisen. Ein PAZ-Bulle rauft sich das schüttere Haar. Das ist gut, denke ich. Nach 16 Minuten verlassen wir das PAZ wieder – die wollten mich dort nicht. Also zurück auf die Wachstube, wieder Strafbank. Mein Genosse wurde mitterweile entlassen. Es ist noch mitten in der Nacht. Wenn sie mich jetzt rauslassen, geh ich ihn suchen. Warten, warten, stundenlang. Die Vertreter der Staatsgewalt gehen derweil ihrer Büroarbeit nach, schreiben ihre ideologisch verblendete Version der Geschehnisse auf, gemächlich, wie um mich zu quälen. Um 7 Uhr, also fünf Stunden nach meiner Gefangennahme, ruft der Verfassungsschutz an und verrät den Cops meinen Namen. In der Zwischenzeit haben sie den Vorwurf von „Sachbeschädigung“ auf „schwere Sachbeschädigung“ upgegradet, 16 in einer Nacht werfen sie uns vor. Damit ist auch die rechtliche Grundlage für alles mögliche geschaffen. Jetzt haben sie meinen Namen, überlege ich. Kombiniere: dann können sie mich ja auf freiem Fuß anzeigen. Ich stehe auf, ziehe meine Jacke an und verkünde im Brustton der Überzeugung, dass meine Anwesenheit ja jetzt nicht mehr nötig sei, und ich daher jetzt gehen würde. Das finden die Cops gar nicht lustig, und die Tür zur Außenwelt öffnet sich nicht. Einen Versuch ist es wert. Ich werde wieder ins PAZ überstellt, kriege ein Leintuch, einen Becher, eine Zahnbürste, zwei Packerl Duschgel ausgehändigt und werde eingesperrt. Das Klo ist ein Loch im Boden, das Bettgestell hat schon einmal gebrannt, und alles klebt. Ich verlange Essen und versuche etwas zu schlafen: erst einmal zu Kräften kommen. Am Nachmittag werde ich aus dem Dämmerschlaf gerissen und in einen Verhörraum geführt. Dort sitzen zwei Zivile: ein kleiner Drahtiger, dauernd den Schlapfen offen, und ein Kasten, offenbar zur Einschüchterung. Ich verweigere die Aussage. Von meinem Recht auf einen Anruf mache ich natürlich Gebrauch: fuck, ich weiß nur eine einzige Nummer auswendig. Mein Bruder, ojeoje, den will ich da eigentlich nicht mit hineinziehen, aber das muss jetzt wohl sein. Er ist loyal und intelligent, der wird das schon schaukeln. Ich schaffe es, das Telefonat durchzusetzen ohne den Namen der angerufenen Person oder der zu verständigenden Person zu nennen. Das Gespräch wird allerdings recht schnell wegen Verdunkelungsgefahr unterbrochen, und ich vergesse zu sagen, dass die Bullen meinen Namen kennen. Verhör also. Humpty und Dumpty drohen mir mit allem möglichen. Ich würde in Untersuchungshaft kommen. Wenn ich mich weigern würde, Fingerabdrücke und DNA abzugeben, würde ich verletzt werden. Ich würde dann eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung an Beamten bekommen. Sie würden die Cobra holen, um mich zu fixieren (ich muss lachen). Dies das. Die Frage, ob ich sie freiwillig in meine Wohnung lassen würde – natürlich nicht – geht in der Litanei irgendwie unter. Soll das die Ankündigung einer Hausdurchsuchung gewesen sein, frage ich mich viel später? Wieder in der Zelle nach der erkennungsdienstlichen Behandlung befühle ich meine Stirn. Sie blutet ein bisschen. Zum Zweck der ED-Behandlung rückte dann doch nicht die Cobra an; Humpty und Dumpty winken alles an Bullen, was grad am Gang herrumsteht, in den ED-Behandlungsraum um mich gefährliche Anarchistin zu bändigen. Emma Goldman kommt kurz in meinen Gedanken auf Besuch, „mugshot“ heißt so ein Gefangenenfoto auf Englisch, auf ihrem schaut sie sehr finster. Ich werde hineingezerrt, unsanft auf den Sessel gedropped. Der kleine Raum ist voll mit moralisch zwielichtigen Gestalten in Uniform. Humpty und Dumpty dokumentieren mit der Handykamera. Es herrscht Totenstille. Alle warten angespannt, und ich habe das Gefühl, ich sei die einzige, die weiß, was jetzt passieren wird. Ein Gefühl der Macht in der Ohnmacht lässt mich die Arme nach hinten über die Sessellehne hängen, wie eine Boxerin in den Ringseilen. Ich leiste kalkulierten Widerstand: soweit, dass ich es ihnen nicht leicht mache, aber nicht soweit, dass sie mich ernsthaft körperlich verletzen. Es schmerzt mich, meine weltweit einzigartigen Fingerabdrücke abgenommen zu kriegen. Ein kleiner Mann mit hasserfülltem Gesicht kratzt mir Spuren meiner DNA aus der Stirn, bis ich blute. Glückwunsch, ihr Arschlöcher. Danach fühle ich mich ausgelaugt, und der Schlafmangel tut sein Übriges. Ich mache mir riesige Sorgen um meinen Genossen, immerhin hat er noch was anderes offen. Rauchen, dann schlafen. Später höre ich Gesang aus der benachbarten Schubhaftzelle. Was Religiöses? Mit dem Ohr hänge ich an der Wand: egal, endlich ein anderer Mensch. Bella Ciao singe ich zurück, dann noch die erste Strophe der Arbeiter_innen von Wien. Damit ist mein Repertoire erschöpft. Ich warte. Krümme mich vor Menstruationsschmerzen. Rauche noch eine. Ein paar Push-ups auf dem klebrigen Boden, danach gut Hände waschen. Checke nicht, dass gerade zehn Bullen die Wohnung durchsuchen, und meine Mitbewohnerin uns geistesgegenwärtig verteidigt. Weiß nicht, dass mein Bruder gerade herumtelefoniert, um mich zu befreien. Dass die Gefährt_innen sich draußen organisieren. Ich gehe davon aus, dass ich den Fußmarsch vom Süden der Stadt nach wohin auch immer allein gehen werde, falls sie mich überhaupt rauslassen. Komme ich wochenlang in die JVA? Lohnt es sich, die Türe anzustarren? Es lohnt sich! Um 20 Uhr komme ich raus. Vor dem PAZ warten Leute auf mich! Sie sind umringt von Uniformierten, ihre Ausweise werden gerade kontrolliert: drei Minuten Verstoß gegen die ab 20 Uhr gültige Ausgangsbeschränkung. Gemeinsam hauen wir ab. Zuhause siehts viel weniger schlimm aus als gedacht. Hausdurchsuchung, das war immer meine große Angst. In meiner Vorstellung sah ich ausgekippte Topfpflanzenerde und aufgeschlitzte Plüschtiere. Nichts dergleichen, aber sie haben mein Zeug durchwühlt, mein Handy gestohlen und andere Dinge mitgenommen. Am nächsten Tag treten meine Mitbewohnerin und ich in Punkto Nachbar_innenschaft die Flucht nach vorne an und hängen einen Zettel in Stiegenhaus. „Liebe Nachbarinnen und Nachbarn, Sie haben vielleicht mitbekommen, dass bei uns eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat. … völlig überzogen … Vorwurf Graffiti … werden dagegen vorgehen … Danke für Ihre Anteilnahme … Liebe Grüße.“

Danach beginnt die Antirep-Arbeit. Zum Glück gibt es Genoss_innen, die uns dabei unterstützen. Wegen einer Sekunde gschissn-gschmissn haben wir jetzt wochen- und monatelange Scheiße am Schuh kleben. Das ist wohl auch der Zweck von dem Ganzen, uns einzuschüchtern und handlungsunfähig zu machen. Die Aufgabe von Bullen und Justiz ist es, Eigentum vor Kollektivierung zu schützen und den kapitalistischen Status Quo aufrecht zu erhalten. Deswegen sind sie auch so heiß auf die Mietstreik-Tags, die schon während des ersten Lockdown in Salzburg und weltweit auf den Mauern der Städte auftauchten. Ambivalent: Der Artikel über unsere Festnahme in der Kronen Zeitung samt Foto von einem Mietstreik-Tag ist in gewisser Weise auch ein großformatiges Inserat. Darunter postete ein User: „Ich bin nicht links, aber da muss ich denen recht geben. Mietstreik gegen die horrenden Mietpreise wäre mal wirklich ein Mittel die Behörden in die Knie zu zwingen.“

Ich schlafe in dieser Nacht wie ein Baby, obwohl ich weiß, dass die Bullen in meinem Zimmer alles angetatscht haben. Dafür sehe ich draußen für ein paar Tage an jeder Ecke Bullen, wo gar keine sind. Es gibt Schlimmeres. Mich kriegt ihr nicht klein. Uns kriegt ihr nicht klein. Solange wir zusammenhalten, kann uns nichts brechen. Solidarität ist wirklich eine Waffe.

PS:

  • Zum Spazierengehen immer ausreichend Zigaretten, wichtige Medikamente und Tampons (im PAZ gibt’s nur Binden in Schlauchbootformat) mitnehmen
  • Ausreichend Songtexte, Turnübungen, etc. kennen, damit euch in der Zelle nicht fad wird
  • Telefonnummern auswendig lernen
  • Zimmertüren mit Namen beschriften
  • Handy in einem anderen Zimmer aufbewahren, wenn ihr nicht daheim seid
  • Alle Datenträger verschlüsseln, keine Notizen rumliegen lassen
  • Alles verweigern, keine Aussage machen, nicht einschüchtern lassen